14.

Am Morgen, nachdem sie den Vertrag für die Rolle der Crimson und den Vertrag mit Flanders Cosmetics unterzeichnet hatte, wachte Lila zeitig auf. Ihr Bild und das der beiden anderen Frauen prangte auf der dritten Seite des Daily Variety. Lila goß sich ein Glas Orangensaft ein und nahm das schnurlose Telefon mit hinaus auf die Veranda.

Das Honorar der Kosmetikfirma konnte sie gut gebrauchen, obwohl sie nicht vorhatte, diese billigen Produkte zu verwenden. Doch wen kümmerte das schon? Jede vernünftige Frau nahm MAC, auch wenn das mehr kostete. So gedachte Lila das auch künftig zu halten. Doch das Geld fand sie nicht schlecht. Sie beschloß, sich davon ein ordentliches Auto zu kaufen, neue Garderobe und ein eigenes Haus. Außerdem hatte sie vor, nun ihren Rachefeldzug zu starten. Sie wußte genau, bei wem sie den Anfang machen würde, griff nach dem Telefonhörer und wählte die Nummer. »Ara Sagarian bitte. Hier spricht Lila Kyle.«

Nach einer Pause antwortete Lila: »Ich weiß, was Ara gesagt hat, Miss Bradley. Aber vielleicht teilen Sie ihm mit, daß ich ihn nur sprechen will, weil ich eine Entscheidung über meine künftige Vertretung fällen muß. Ich glaube schon, daß er mit mir darüber sprechen will. Nein, ich warte.«

Sie mußte nicht lang warten. »Guten Morgen, Lila. Ich wundere mich eigentlich über Ihren Anruf.«

»Mr. Sagarian, ich habe mich sehr schlecht Ihnen gegenüber verhalten und bitte um Verzeihung. Es liegt mir viel daran, den Schaden wiedergutzumachen. Ich bitte Sie um keinen Gefallen, höchstens um einen Rat. Wie Sie wissen, habe ich eine Rolle in Marty DiGennaros neuer TV-Serie bekommen. An sich habe ich praktisch den Vertrag mit Sy Ortis als meinem Agenten unterzeichnet. Doch ich möchte gern Ihr Okay dazu haben, bevor ich diesen Schritt tue. Es handelt sich um einen Drei-Millionen-Dollar-Vertrag.«

Lila hörte Ara am anderen Ende der Leitung atmen. Es dauerte lang. Würde er nach dem Köder schnappen? »Sie schulden mir nichts, Lila. Das gehört alles zum Showgeschäft. Ich freue mich für Sie, daß Sie die Rolle bekommen haben und einen so kundigen Agenten wie Mr. Ortis.«

»Sie sind ein wahrer Gentleman, Ara.« Lila wählte wieder den Vornamen, nachdem sie den formellen Teil für abgeschlossen hielt.

Und Ara biß tatsächlich an. Er ließ sich bestätigen, daß sie noch nicht unterschrieben hatte. »Lila, so etwas will natürlich gründlich überlegt sein. Was halten Sie davon, wenn wir heute mittag zusammen essen? Dann kann ich auch gleich wiedergutmachen, wie ich Sie behandelt habe. Würde Ihnen die Polo Lounge um ein Uhr passen?«

»Sehr gut. Bis dann.« Sie lächelte zufrieden vor sich hin.

Jahrelang hatte die Polo Lounge im Beverly Hills als der Treffpunkt für hochkarätige Besprechungen zur Lunchzeit gegolten. Doch eines Tages schloß das Beverly Hills Hotel wegen Renovierung seine Pforten. Man traf sich künftig in anderen Hotels. Viele Gäste kehrten auch nach der Wiedereröffnung des renommierten Hauses nicht zurück. Ara Sagarian gehörte nicht zu diesen Gästen. Ara bildete sich etwas auf seine Treue ein. Und das Beverly Hills hatte ihn nie enttäuscht.

Er saß an dem Ecktisch, der als der begehrteste in dem Restaurant galt. Lila traf zehn Minuten nach eins ein. Mühsam erhob Ara sich, um Lila zu begrüßen, und Lila küßte liebenswürdig seine eingefallene Wange.

»Vielen Dank für die Einladung, Ara. Ich hatte schon befürchtet, ich hätte es mir endgültig mit Ihnen verdorben. Das wäre mir schrecklich gewesen. Ich halte ungeheuer viel von Ihnen.«

Ara lächelte verbindlich. Doch für Smalltalk war er zu ungeduldig. In seiner unbezähmbaren Neugier kam er gleich zur Sache. »Lila, wie haben Sie denn Marty DiGennaro dazu bekommen, Ihnen die Rolle in seiner neuen Serie zu geben?«

Sie warf den Kopf zurück und lachte. »Blutsbande, Ara«, witzelte sie.

Nach einem kleinen Zögern stimmte Ara in ihr Lachen ein. »Offensichtlich haben Sie es ja ganz allein geschafft. So, wie ich das sehe, brauchen Sie keinen Agenten.«

»Sie wissen ja am besten, daß noch sehr viel zu tun bleibt. Ich bin davon überzeugt, daß Martys Serie zu einem großen Renner wird. Das zieht manches nach sich. Filmangebote, Lizenzen, Millionen eben. Es geht ja nicht nur um eine neue Serie, Ara. Das kann sich zu einer ganzen Industrie auswachsen. Les Merchant vom Sender steht offenbar voll hinter dem Projekt. Darum brauche ich jemanden, auf den ich mich absolut verlassen kann und der nur meine Interessen vertritt, so, wie Sie das für meine Mutter gemacht haben.« Lila schlug die Augen nieder. »Ist Sy Ortis der richtige Mann für mich, Ara?«

Er griff mit seiner krallenartigen, verrunzelten Hand nach Lilas. »Ich fürchte, ich kann das nicht bejahen, meine Liebe«, sagte er.

Lilas Lider flatterten. »Das habe ich fast vermutet. Wissen Sie, es hat mir natürlich kein bißchen gefallen, was Sie mir damals angetan haben. Doch nachdem mein Ego einmal wiederhergestellt war, empfand ich Hochachtung für die Treue, die Sie meiner Mutter erweisen. Obwohl sie Ihnen nicht mehr viel Geld einbringt, standen Sie für sie gerade, weil sie Ihre Kundin ist.« Lila sah Ara gerade in die Augen. »Das gefällt mir.«

Ara nahm ein blütenweißes Taschentuch heraus und tupfte an seinem Mundwinkel. Er mußte den nächsten Zug machen. Das wußte er.

»Sie können nicht den gleichen Einsatz von Sy Ortis erwarten«, meinte er sanft. »Aber Sie haben bei ihm ja auch noch nicht unterschrieben, wie Sie sagten.«

»Nein.«

»Nun, unter den Umständen...« Ara brach ab. Lila schwieg. Sie hatte nicht vor, ihm auf halbem Weg entgegenzukommen.

»Nun ja«, begann Ara wieder. Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Lila triumphierte. Sie sah, daß der alte Mann fest an der Angel hing. Er war noch nicht zu alt oder krank, als daß er sich die Chance, mitmischen zu können, entgehen lassen wollte. Und wann hatte er schon in letzter Zeit ein neues Talent unter Vertrag genommen?

»Da Sie noch nicht bei Ortis unterschrieben haben, sollten wir vielleicht über unsere eventuelle Zusammenarbeit sprechen.« Er nahm einen Löffel Gazpacho und brachte ihn zittrig zum Mund. »Wie Sie sagen, geht es um Zusatzklauseln und künftige Filmprojekte. Die Show wirbelt schon jetzt eine Menge Staub auf. Darum sollten wir die Fühler nach etwas ausstrecken, was Sie machen können, sobald die Saison gelaufen ist. Natürlich müssen Verträge abgeschlossen werden. Unzählige. Hat eigentlich jemand Ihren Vertrag mit Mary schon einmal begutachtet? Es sollten nämlich eine ganze Menge Optionen hineingeschrieben werden. Es gibt ja jede Menge von >was — wenn<-Situationen, die schwer vorherzusagen sind, es sei denn, man kennt sich gründlich in dieser Branche aus.«

»Wie Sie?« Lila wollte nun den Sack zumachen.

»Nicht wie ich, sondern ich«, sagte Ara und tupfte wieder an seinem Mundwinkel.

»Aber Mutter läßt Sie doch nicht für mich arbeiten. Sie wäre wütend«, wandte Lila fromm ein.

»Mit Theresa werde ich schon fertig. Sie ist ja nicht mehr so aktiv wie früher. Also gäbe es keinen Interessenkonflikt.«

»Ich fürchte, es würde auf ein >sie oder ich< hinauslaufen, Ara.« Lila schauderte wohlig. Es war fast ein wenig zu einfach. »Theresa wäre nie so töricht, mich unter Druck zu setzen.«

»Ich spreche nicht von Theresa, Ara. Ich spreche von mir. Als mein Agent müßten Sie vorher Theresa O'Donnell fallen lassen.«

Ara legte den Löffel aus der Hand und nahm die Serviette an den Mund. Er starrte Lila an. Einen kurzen, schrecklichen Moment lang spürte Lila, wie die Angelleine schlaff wurde. Doch der Köder war zu fett, der Haken saß zu tief. Ara, der sterbende alte Hai hatte schon das frische Blut gerochen. Lila hätte am liebsten laut gelacht. Es war zu lustig, ihn kämpfen und verlieren zu sehen. »Verstehe, Lila. Ich werde das so behutsam wie möglich erledigen.«

Lila schenkte Ara ihr bezauberndstes Lächeln. Sie wandte sich an den Ober, der in der Nähe auf die Wünsche seiner Gäste lauerte. »Bringen Sie Mr. Sagarian ein Telefon.«

Lila sah zu, wie das Telefon eingestöpselt wurde. »Mir geht es nicht so sehr um das behutsame Vorgehen, sondern vielmehr darum, daß Sie mir Ihre Treue beweisen. Darum rufen Sie sie bitte jetzt an. Sie kennen ja ihre Nummer.«

Ara starrte Lila wie hypnotisiert an. Doch er nahm den Hörer und wählte die Nummer. Endlich gelang es ihm, sich von Lilas Gesicht loszureißen. Lila glaubte sogar, so etwas wie Scham in seinem Blick entdeckt zu haben. Lila lehnte sich zurück und hörte zu. Sie lächelte noch immer.

»Theresa bitte«, flüsterte Ara fast, und Lila sah im Geiste, wie Estrella der Puppenmutter das Telefon brachte. »Theresa, hier spricht Ara. Ich fürchte, ich habe keine sehr gute Nachricht für Sie.« Lila hörte sich Aras Teil der Unterhaltung an. Sie genoß sie wie eine köstliche Praline, wohlschmeckender als die berühmte weiße Schokolademousse, Spezialität der Polo Lounge.

Nachdem Ara den Anruf beendet hatte, beugte Lila sich über den Tisch und tätschelte seine gesunde Wange. »Nachdem das erledigt ist, sollten wir uns ein Dessert bestellen.«

Die schoenen Hyaenen
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